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Interview: KONTRUST
Titel: Frischzellenkur

Dass es für knapp eine Dekade nichts Neues von diesen österreichischen Crossover-Erfolgsverwöhnten zu hören gab, macht die Veröffentlichung ihres Comeback-Knallers „Madworld“ umso interessanter. Und der aktuelle Nachfolger zum 2014er Album „Explositive“ könnte typischer und origineller für diese Ecke der Welt nicht klingen - lebendiger sowieso nicht.

Sie erhielten den Austrian Newcomer Award, den Amadeus Austrian Music Award und waren in den niederländischen Charts - wie Manuel Haglmüller, zuständig für Percussion und Programmings, zum anstehenden 20-jährigen Bandjubiläum berichtet, erlebten Kontrust Hochs, Tiefs und alles dazwischen.

„Man muss schon dezent verrückt sein, sich über 20 Jahre aktiv dem Rock’n’Roll zu verschreiben. Preise, internationale Chartplatzierungen usw. sind dabei anerkennende Erfolge, die gefeiert werden und schöne Erinnerungen liefern. Dennoch sind dies ‚nur‘ Augenblicke in einer langen und dynamischen Karriere. Am Ende macht man es für die Fans, für die Bühne, für die Musik.“

Die Fragen, was zu so einer derart langen Pause führte, was da so alles in der Zwischenzeit getrieben wurde und welche Umstände nebst Besetzungswechseln zur aktuellen Wiederkehr führten, sind schnell beantwortet:

„Eine Pause ergab sich bei uns in Wahrheit nur in Hinblick auf Studioproduktionen. Nach ‚Explositive‘ widmeten wir uns ganz dem Live-Betrieb und tourten international an immer weiter entfernte Destinationen. Eine Reihe unserer größten Shows fand genau in dieser Zeit statt. Während der Pandemie habe ich begonnen, neues Material für ein Studioalbum zu schreiben. Mit dem Besetzungswechsel wurde dies dann auch ohnehin überfällig.“

Die neuen Members haben sich mittlerweile optimal in die experimentierfreudige Formation eingefügt.

„Das läuft hervorragend, ganz ohne Übertreibung. Das hört man auch auf der neuen Platte. Wir dürfen uns glücklich schätzen, die beiden an Board zu haben. Julia Ivanova ist eine unglaubliche Sängerin mit einer gewaltig starken Stimme, die perfekt zu unserer Musik passt. Und Drummer Joey Sebald ist ein Hard-Hitter wie ihn unser Stil verlangt. Mit Julia im Studio zu arbeiten machte richtig Spaß, da ihre Stimme eine enorm große Range abdeckt. Das eröffnete uns Möglichkeiten, weiter als je zuvor zu gehen und neue Dimensionen zu erschließen.“ 


Einen treffenderen Titel als „Madworld“ kann man einem derartigen Crossover-Album wohl beim Zustand der derzeitigen - menschlichen - Welt nicht geben. Manuel nickt mit kritischer Miene:

„Für das Album verarbeiteten wir unsere Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse und Beobachtungen der letzten fast zehn Jahre. Wenn man die vergangene Dekade Revue passieren lässt, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die Welt am Rad dreht – eine Steilvorlage für Titel und Inhalt der Platte.“

„Explositive“ war als ein weiteres Album von Kontrust in den Charts. Wie hoch sieht der Percussionist die Chance für einen erneuten Charteinstieg mit „Madworld“?

„Fifty-fifty – entweder ja oder nein. [lacht] Nein, aber ganz ehrlich, darum machen wir uns gar keinen Kopf. Wir freuen uns einfach riesig darauf, wenn das Ding endlich rauskommt und die Fans ran können.“

Nach zehn langen Jahren Pause müssten Kontrust eigentlich viel verlorenen Boden wieder gutmachen, werden viele sich denken. Jedoch: „Durch die vielen Shows, die wir in der Zeit quer durch Europa gespielt haben, hat sich unser Kreis vielmehr deutlich erweitert. Das macht sich auch in den demographischen Daten unserer Kanäle und Streaming-Dienste bemerkbar, die weltweit stetig wachsen. Eine echte mehrjährige Pause wurde uns nur durch Corona auferlegt.“

Konzerten sehen diese ausgesprochenen Soundtüftler daher immer hochgradig frenetisch entgegen, wie zu erfahren ist. „Dabei lebt die Verbindung zu den Fans so richtig auf - und sie sind unser Antrieb. Diese Energie spürt auch das Publikum. Sobald der Funke überspringt wird gemeinsam abgefeiert. Ob Mega-Festival oder Club-Show ist dabei schon beinahe zweitrangig. In jedem Fall geht’s zur Sache.“

„Madworld“ ist das erste komplett selbst produzierte Kontrust-Album, so steht es in der Label-Info. „In der Tat, absolut zu 100 % eigenproduziert und zu 100 % Kontrust. Eine andere Produzentenseite gab es nicht. Wir arbeiteten mit vielen neuen Einflüssen und erfanden uns gewissermaßen selbst neu. Gleichzeitig kreierten wir damit einen Stil, der weiterhin Kontrust ist und die altbewährten Elemente trägt, also alt und neu vereint. Das ist zur vollsten Zufriedenheit gelungen.“

Die Einflussbandbreite bei der Formation scheint monumental. „Das geht tatsächlich quer durch die Bank und ist bunt gemischt. Der gemeinsame Nenner ist selbstverständlich Rock und Metal. Individuell reicht das Spektrum von elektronischer Musik über Jazz, Pop und manchmal etwas Hip-Hop bis hin zu klassischer Musik.“

Während Covid konnte Manuel die Zeit gut nutzen, um zu schreiben, zu programmieren und Layouts zu entwerfen, sagt er. „Aus der Pandemie heraus bedurfte es aber so mancher Arschtritte, um alle wieder richtig in die Gänge zu bringen. Was die kompositorische Zusammenarbeit diesmal betrifft, hier spricht das Resultat für sich, das ging am Ende alles recht glatt. Selbstverständlich braucht es aber auch Reibung beim Kreieren. Die Instrumentallinien entstanden vorweg, worauf die Vocals und deren Lyrics aufgebaut wurden. Im Umkehrschluss wurden Instrumente und diverse Passagen wiederum adaptiert, wenn nötig oder im Gesamten ‚besser‘.“

Der kreative Prozess an sich hat ihm daran die meiste und größte Freude bereitet, konstatiert Manuel rückblickend. „Von einer Idee im Kopf und dem ersten Entwurf der Instrumentallinien über das Anpassen der Parts zu fortgeschrittenen Layouts, das Feilen an den Vocal- und Hook-Lines bis hin zum Mix und am Ende dem fertigen Song – das alles empfinde ich jedesmal neu und immer wieder spannend. Die Instrumente gingen allesamt recht flott von der Hand. Die Vocals benötigen naturgemäß mehr Zuwendung und Zeit. Das ist der übliche Prozess." 


© Markus Eck, 10.10.2023

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