Top
Interview: SHYLMAGOGHNAR
Titel: Luzide Strömungen

Seit der zutiefst begabte Niederländer Kevin Bertrand unter dem Pseudonym Nimblkorg anfing, atmosphärisch-majestätischen Melodic Black Metal mit progressiven ‚Todesnuancen‘ zu kreieren, feiern Kenner und Genießer seine faszinierenden Künste jubelnd ab. Was 2004 begann, mündet nun ins neue Album „Convergence“, seinem persönlichsten Werk bislang - weiter geht die emotionale, philosophische und psychedelische Reise also mit Shylmagoghnar! 


Gegründet vor knapp 20 Jahren, jetzt drei großartige Alben - Nimblkorg zu Shylmagoghnar heute: „Ich habe unterschätzt, was es braucht, um so lange durchzuhalten, das ist sicher. Jeder Teenager denkt natürlich, dass er die Welt erobern und hundert perfekte Alben machen wird, also fehlte es am Anfang nicht an Selbstvertrauen. Die Realität war schon etwas schwieriger. Es dauerte Jahre und Jahre, in denen ich am Schreiben, an den Instrumenten und an der Tontechnik feilte. Ich würde es immer noch jedem Musiker empfehlen, aber ich sage Folgendes: Man muss absolut nicht bereit sein, aufzugeben. Irgendwann werden die Dinge einfacher. Ich bin froh, sagen zu können, dass ich nach fast 20 Jahren immer noch genauso viel Freude an der Musik habe wie damals in meinem kleinen 2x2-Meter-Zimmer.“ 


Der dritte Langspieler „Convergence“ weist absolut individuellen Musikstil und exzellenten kompositorischen Geschmack auf der ganzen Linie aus. Der Meister freut sich:

„Ich glaube, es könnte mein neues persönliches Lieblingsalbum von Shylmagoghnar werden - aus dem einfachen Grund, dass ich mich während der Arbeit daran irgendwie nicht daran satt gehört habe.“ 


Darum ersucht, welche Lebensumstände aus ihm einen so geschmackvollen Geist gemacht haben, gibt der tiefsinnige Musikus grinsend preis:

„Erzähl’ das bloß nicht den Dämonen! Für mich ist es schwierig zu verstehen, was genau die Leute an mir mögen. Ich bin eine zurückgezogen lebende Person und neige dazu, die Geschehnisse in der Außenwelt zu ignorieren und verbringe die meiste Zeit damit, mich nach innen zu wenden. Das führt wohl oder übel zu einer individualistischen Sicht der Dinge.“

Die Hauptbotschaft des neuen Albums scheint etwas sehr viel Tieferes zu transportieren als die üblichen Black- und MeloDeath-Themen. Nimblkorg:

„Der Titel ‚Convergence‘ wurde gewählt, weil das Thema des dunklen, fließenden Wassers und des Flusses von Leben und Tod in meinen Träumen während der Arbeit an dem Album eine wichtige Rolle spielte. ‚Convergence‘ deutet an, dass sich viele dieser Flüsse - vielleicht einer für jedes einzelne Lebewesen? - am Ende zu einem größeren Ganzen verbinden, dem Meer. Ein Teil davon war schon immer geplant, nämlich die thematische Reise des Todes. Die ersten beiden Alben und dieses bilden zusammen eine Art Trilogie, in der jedes Album eine Reise auf einer anderen Ebene der Existenz unternahm. Damit abzuschließen, war für mich unvermeidlich. Was dieses Album meiner Meinung nach von allen mir bekannten Alben unterscheidet, ist die Tatsache, dass es sich fast vollständig auf die Traumlogik stützt. Sogar noch mehr als bei früheren Shylmagoghnar-Alben. Innerhalb eines kurzen Zeitraums hatte ich mehrere Träume, die sich so bedeutungsvoll anfühlten, dass ich sie für Visionen hielt. Ähnlich wie luzide Träume, aber mit einer deutlich ursprünglicheren Qualität. Sie fühlten sich wie ein Aufruf zum Handeln an, und ich reagierte darauf, indem ich eine zweijährige Reise unternahm, um mein eigenes Unterbewusstsein besser zu verstehen. Ich zwang mich, jeden Traum und jeden seltsamen Gedanken, den ich hatte, aufzuschreiben, wann immer ich konnte, und es stellte sich heraus, dass viel mehr dahinter steckte, als mir je bewusst war. Nach einer Weile war ich in der Lage, wiederkehrende Themen und damit die Architektur meines Unterbewusstseins zu erfassen. Damit konnte ich wiederum feststellen, ob ich träumte, was die Chancen auf luzide Träume und Urträume erheblich erhöhte. Auf diese Weise habe ich einige der schönsten Dinge gesehen, die ich je in meinem Leben sah, und es war unmöglich, sich nicht inspiriert zu fühlen. Die Schattenseiten waren allerdings auch gravierend. Seit ich denken kann, habe ich mit meiner psychischen Gesundheit zu kämpfen, und dieses Experiment hat alles noch viel schlimmer gemacht. Bis heute leide ich unter einer Zunahme der dissoziativen Logik, und ich muss regelmäßig meine Hände überprüfen, um zu sehen, ob ich wach bin oder nicht. Es waren auch andere da unten, die ich lieber vergessen würde. An alle, die sich überlegen, diesen Weg einzuschlagen: Seid vorsichtig. Ihr wisst nicht, was ihr erwecken könntet.“ 


„Convergence“ enthält auch viele überragende, erhebende und nicht selten gar triumphal berührende Momente - laut Nimblkorg ein für ihn nur natürlicher Vor- und Hergang. „‚Transience‘ war ein schwieriges Album für mich. Ich stand zu 100% hinter den Kompositionen darauf, aber Tatsache ist, dass es in einigen der schlimmsten Jahre meines Lebens geschrieben wurde. Es gab einige Stücke darauf, auf die ich wirklich stolz war - z.B. der Titelsong oder ‚Life‘, aber leider konnte ich es mir seit seiner Veröffentlichung nicht mehr vollständig anhören. Es bringt zu viel Schmerz zurück. Dieses Album war anders. Auch hier gab es einige wirklich dunkle Zeiten - vor allem der Tod meiner Mutter, aber auch Momente wahrer Schönheit wie die Geburt meines Sohnes. Irgendwie habe ich trotz des Sturms der Gefühle diesmal nicht diesen erdrückenden Schatten gespürt, der 2016-2017 immer präsent war, und das Ergebnis fühlt sich für mich an, als wäre es mit mehr geistiger Klarheit geschrieben worden.“

© Markus Eck, 18.10.2023

[ zur Übersicht ]

All Copyrights for band-photos & -logos reserved by its Respective Owners.

Advertising

+++